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Forschung in Deutschland: Wenn Maschinen zu Robotern werden

KI - KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Die Künstliche Intelligenz wurde zwar ursprünglich in Amerika erfunden beziehungsweise entwickelt, trotzdem ist aber auch Deutschland in diesem Forschungsbereich sehr engagiert und erfolgreich. Die führenden Labore unseres Landes sollen im Rahmen dieses Beitrags nun genauer betrachtet werden.

Die in den Wissenschaftslaboren (künstlich) entwickelten, neuen Arten von Intelligenz erreichen mehr und mehr Bereiche des Alltags. Ob Roboter, die medizinische Operationen unterstützen, kranke Menschen pflegen oder mit Aktien handeln, sprachgesteuerte beziehungsweise sprechende Smartphones oder Fabriken, die sich durch eine entsprechende Software selbst steuern können: was vor einigen Jahren noch als Science Fiction galt, wird heute bereits in vielerlei Hinsicht Wirklichkeit. Die Künstliche Intelligenz nimmt mehr und mehr Einfluss auf den menschlichen Lebens- und Arbeitsraum.
Auch Christian Bauckhage, Professor an der Universität Bonn und zudem einer der führenden Wissenschaftler im Bereich Machine Learning am Fraunhofer Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) in Sankt Augustin, bestätigt, dass sich vor allem innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte eine Wende von absolutem Desinteresse hin zu einer immensen Relevanz Künstlicher Intelligenz vollzogen hat. Vor allem Banken, Pharmahersteller, Versicherungen, Autokonzerne oder auch Headhunter aus dem Silicon Valley gehören für ihn mittlerweile zum täglichen Kommunikationsspektrum.

Wenn Maschinen zu Robotern werden

Bauckhage arbeitet mit seinen Studierenden an einem dieser Entwicklungslabors, die Theorien und Visionen zunächst zu mathematischen Algorithmen und letztlich zu einer funktionierenden Software werden lassen, welche dann auf den Computerbildschirmen der Nutzer/-innen erscheint. Es ist also eine Arbeit an der Zukunft und am „morgen“, die Bauckhage täglich leistet.

Seine Anfänge nahm die Entwicklung des Instituts für Informatik an der Universität Bonn bereits Mitte der siebziger Jahre. Prägend war hierfür vor allem der Computerwissenschaftler Gerd Veenker, um den sich bald die ersten Informatiker, Kybernetiker und Mathematiker versammelten, um sich des Themas der Künstlichen Intelligenz oder künstlicher Gehirne anzunehmen. Grundlegende Werke des Bereiches entstammen dieser bedeutenden Zeit, zudem unternahmen die Wissenschaftler erste Überlegungen und Spekulationen darüber, wie die Maschine der Zukunft wohl aussehen und dass sie vermutlich nicht mit Öl oder Dampf betrieben, sondern eher mit Daten gespeist würde.

Circa 250 Kilometer weiter südlich sitzt und arbeitet Wolfgang Wahlster, einer der bedeutendsten Pioniere im Bereich KI-Entwicklung in Deutschland sowie Professor für Informatik. In erster Linie ist Wahlster jedoch wissenschaftlicher Geschäftsführer des DFKI, des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz. Mit seinen 880 Mitarbeiter/-innen in Bremen, Berlin, Kaiserslautern, Osnabrück und Saarbrücken gilt dieses weltweit als eines der größten Forschungszentren für Künstliche Intelligenz. Schon mehrfach wurden von hier aus wesentliche und für den Bereich bedeutende Themen angeschoben, wie etwa die maschinelle Spracherkennung.
Dass die hieraus bereits hervorgegangenen Forschungen nicht nur theoretische Erkenntnisse nach sich zogen, sondern schließlich auch in der Praxis zur Anwendung kamen, zeigen die mittlerweile 80 Unternehmensgründungen mit heute etwa 3.700 Mitarbeiter/-innen, die von Seiten des DFKI mittlerweile zu verzeichnen sind. Wahlster betrachtet die aktuelle Zeit entsprechend auch als Blütephase der Künstlichen Intelligenz. Dieser Gedanke werde vor allem durch die wahre Fülle an Aufträgen bestätigt, durch welche sich sein Forschungszentrum ausnahmslos finanziert.

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Ähnlich sieht es bei den Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft aus, denn auch ihnen fließt aktuell ein hohes Budget – vornehmlich aus Fördermitteln, Aufträgen sowie Einnahmen aus Patenten und Lizenzen – zu. Etwaige Institute können dabei als wahre Ideenschmieden betrachtet werden. Schon der MP3-Player oder das weiße LED-Licht wurden hier entwickelt beziehungsweise zum Leben erweckt, oder aus Licht einer Zimmerlampe ein Internetzugang hergestellt. Im Vergleich dazu stehen heute vornehmlich digitale Daten an oberster Stelle auf der Agenda der deutschen Forschungselite. Schließlich wird sie es vermutlich auch sein, die Maschinen zu Robotern werden lässt.

In Saarbrücken liegt ein Schwerpunkt der Forscher/-innen beispielsweise auf den sogenannten körpernahen Systemen der Künstlichen Intelligenz. Hiermit wird es möglich, Körpersignale aufzuzeichnen und schließlich auszuwerten. Das wesentliche Ziel dabei liegt vor allem im Gesundheitsbereich verankert: das rechtzeitige Erkennen von Krankheiten, die Vorbeugung von Infarkten und im Allgemeinen eine gesteigerte Gesundheit der Menschen stehen hierbei im Fokus. Darüber hinaus ermöglichen es derartige köpernahe Messungen, Handlungen und/ oder Tätigkeiten nachzuzeichnen und sie hinsichtlich ihrer Vollständigkeit sowie ihres Einflusses auf das menschliche Wohlbefinden zu betrachten und zu beurteilen. Zugunsten einer entsprechend zuverlässigen Umsetzung ist in diesem Bereich jedoch noch einiges an Arbeit notwendig, wofür Saarbrücken seine Mittel bereits bündelt.

Dass der Gesundheitsbereich für das Fachgebiet der Künstlichen Intelligenz von hoher Relevanz ist, wird auch in Sankt Augustin – vor den Toren Bonns – deutlich, denn ebenfalls hier stehen softwarebasierte, medizinische Lösungen im Fokus.

Die Fraunhofer-Gesellschaft erstreckt sich an diesem Ort – und vor dem Hintergrund einer idyllischen Landschaft – über einen Campus bestehend aus fünf Instituten, welche ihrerseits wiederum das etwa hundert Jahre alte Schloss Birlinghoven umringen. An den Instituten werden dabei etwa 600 Wissenschaftler/-innen beschäftigt, welche sowohl die Grundlagen Künstlicher Intelligenz, als auch ihre praktischen Anwendungsmöglichkeiten erforschen. Dirk Hecker, Geschäftsführer der Allianz Big Data der Fraunhofer-Gesellschaft, beschreibt die Branchen-Entwicklungen der letzten fünf Jahre als atemberaubend und hebt die vielschichten Errungenschaften dieser Zeit im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren besonders hervor. In dieser Big Data – Allianz schlossen sich zur Verstärkung der Forschung um die immensen Datensätze 29 von insgesamt 69 der Fraunhofer Institute zusammen. Denn schließlich geschah die Entwicklung von hochleistungsfähigen Computerchips hin zur Einführung des Internets und später den Handys und Smartphones bis zur mobilen Rechentechnik verhältnismäßig schnell und ebenso abrupt hielten etwaige technische Neuheiten Einzug in den Alltag der Mehrheit der Menschen.

Noch immer wird viel erprobt und experimentiert

Dieser immense und schnelle technische Fortschritt ließ das Datenvolumen geradezu explodieren. Doch Hecker beschreibt die gegenwärtige Situation erst als Anfang. Und auch Bauckhage sieht bereits in der näheren Zukunft weitere große Entwicklungen bevorstehen. Vor allem Maschinen, die zu tatsächlichen Denkprozessen fähig sind und eine Art wirklicher Intelligenz besitzen, scheinen in etwa zehn Jahren seiner Ansicht nach Realität werden zu können beziehungsweise dann bereits Teil der Realität zu sein. In diesem Forschungsfeld werde gerade viele erprobt und experimentiert sowie bereits nach Geschäftsmodellen und Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Industrie gesucht. Dies habe auch zur Folge, dass sich die klassische Wirtschaft beginnt neu aufzustellen. So fließe auch die Entwicklung in enorme Ressourcen, die zahlreiche sehr begabte und junge Menschen anlockt und Studierende in diesem Bereich zu begehrten, künftigen Mitarbeiter/-innen werden lässt.

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Eine solche Studierende ist Ying Jiang, die aus China kommt und sich in Sankt Augustin schwerpunktmäßig mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bereich der Öl- und Gasindustrie beschäftigt. In dem riesigen Saal, in dem sie sich aufhält, wurden früher Roboter getestet. Heute befinden sich hier lediglich noch große Bildschirme und einige Tische für die Computer. Eine große Leinwand zeigt das dreidimensionale Bild einer Landschaft von oben sowie einer geologischen Gesteinsformation von unten, dargestellt durch zahlreiche Striche und graue Schattierungen. Yin legt eine Software über dieses Bild, welche sie eigens geschrieben hat: diese kann Muster erkennen, analysieren und letztlich klassifizieren, denn dafür wurde sie von Yin durch mehr als eintausend kleine Tests trainiert. Ihre Software kann sich so selbst beibringen, welche Aspekte für die/ den jeweilige/-n Betrachter/-in wichtig sind und weiß beispielsweise, wo in der Erde „schwarzes Gold“ zu finden und wie hier am besten heranzukommen ist.

Grundlegend hierfür seien Technologien wie Natural-3D-Human Computer Interaction und Deep-Neuro-Networks, als Netzwerke nach Vorbild des menschlichen Gehirns.

Auch Markus Wenzel, der gerade erst vom Bremer Fraunhofer Institut for Medical Image Computing nach Sankt Augustin gekommen ist, beschäftigt sich mit dem menschlichen Gehirn. Seine Arbeit greift jedoch vielmehr in den Gesundheitsbereich hinein, denn Wenzel versucht mit einer Art Präzisionsmedizin, Krebs auf den Grund zu gehen. Dafür speist er seinen Rechner mit Aufnahmen aus dem Inneren eines Kopfes beziehungsweise des menschlichen Gehirns. Die verschiedenen Hirnteile hat er unterschiedlich eingefärbt, um sie besser erkennen und unterscheiden zu können. Eine derartige Spurensuche erfordert dabei viel mehr Daten, als ein Mensch im Laufe seines Lebens verarbeiten oder verstehen könnte. Dagegen vermag ein Rechner durchaus, dies zu leisten und zahlreiche Informationen binnen Sekunden abzugleichen. Die Arbeitsschritte der Maschine seien zudem automatisiert. Wenzels Software weiß, wie er sagt, was sie zu tun und zu lassen hat.

In Bonn wie auch in Saarbrücken blicken die Wissenschaftler/-innen somit also weit in die Zukunft und haben sich für die kommenden zehn Jahre ehrgeizige Ziele gesteckt. Wolfgang Wahlster als Pionier im Bereich KI hat fünf Schwerpunkte definiert, welche wohl auch seine/-n Nachfolger/-in noch lange Zeit beschäftigen werden und sich natürlich im Feld maschinellen Lernens bewegen:

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Deep Learning

Zum einen sollen Computer wesentlich schneller arbeiten können und nicht mehr eintausend, sondern wenn möglich nur noch einhundert, fünfzig oder zehn Lehrstunden benötigen. Dafür betont er besonders das „Deep Learning“ als eine Art der Vernetzung auf künstlichen, neuronalen Ebenen. Während der Mensch vor allem durch Nachahmung und Imitation lernt, ist ein Computer auf eine immense Menge an Daten angewiesen. Er benötigt zahlreiche Informationen, um daraus Einsichten zu gewinnen und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Dies ist aktuell beispielsweise bereits von gravierender Bedeutung für die Konzipierung und Funktionalität autonomer Fahrzeuge.

Den zweiten Schwerpunkt verortet der Saarbrücker Wissenschaftler im Bereich der Industrie: Hier geht es ihm vor allem um die sogenannte „Langzeitautonomie“. Damit sind technische Systeme angesprochen, welche lernen sich immer wieder selbst zu verbessern. Für die moderne Fabrikarbeit ist dies insofern wichtig, als es zur Senkung der Ausschussquote beitragen kann. Ziel sei es nach Wahlster hier, innerhalb von vier Wochen eine Senkung um 10 Prozent zu ermöglichen. Darüber hinaus seien die sogenannten „hybriden Teams“ bedeutend im verarbeitenden Gewerbe: hier arbeiten mehrere Menschen und mehrere Roboter als Gruppe zusammen und können jeweils ihre persönlichen Fähigkeiten einbringen.

Als dritten Schwerpunkt für die Arbeit der kommenden (zehn) Jahre versteht Wahlster die sogenannte „Ultrakonnektivität“. Durch sie werden Objekte zu Subjekten. Dies ist in insofern von Relevanz, als Alltagsdinge vor allem im Zuge der aktuellsten Entwicklungen im Bereich Sensoren- und Datentechnik so wesentlich kleinteiliger über das Internet vernetzt werden können als heute. Gegenstände sind vor diesem Hintergrund dann also nicht nur in der Lage, Daten zu übertragen, sondern können darüber hinaus mit Mikrofonen, Lautsprechern und Kameras technisch ausgestattet werden – sie bekommen gewissermaßen Mund, Ohren und Augen.

Angstmacher/-innen, die vehement vor einer Machtübernahme der Maschinen warnen, sowie düsteren Science-Fiction-Szenarien wenden sich Wahlster und Bauckhage jedoch entgegen und betonen immer wieder den Unterschied zwischen Mensch und Maschine: das Gehirn arbeitet biomechanisch, die Maschine elektrisch.

Zwar können Computer menschliche Emotionen erkennen und interpretieren, wirklich besitzen können sie diese in einem menschlichen Sinn jedoch niemals. Schließlich ist das, was sich im Kopf eines Menschen genau abspielt, stets unbekannt. Dies stützt die Überzeugung Wahlsters, dass der technische Fortschritt keineswegs dazu führen könne, dass die Maschine schließlich den Menschen kontrolliert. Zwar habe vor etwa zwanzig Jahren der „Deep-Blue-Supercomputer“ den damaligen Schachweltmeister Garri Kasparow geschlagen und etwas ähnliches würde sich gerade mit dem Deep-Mind-System von Google und dem Weltmeister im „Go“ vollziehen. Dies sei jedoch eher vergleichbar mit der Arbeit eines automatisierten Webstuhls im Verhältnis zum Handwebstuhl, so Bauckhage. Letztlich kann Software demnach einfach nur schneller mehr Stoff und/ oder Informationen verarbeiten, abgleichen und entsprechende Schlüsse daraus ziehen.

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