Künstliche Intelligenz ist längst der Treibstoff für Online-Giganten wie Google, Amazon und Facebook.
Deren Clouds nutzen auch deutsche Unternehmen und sogar Behörden, was zunehmend auf schwere datenrechtliche Bedenken stößt. Die deutsche Bundesregierung hat daher unter der Federführung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier das KI-Projekt Gaia X angestoßen. Es soll Google und Amazon keine wirtschaftliche Konkurrenz machen, aber ein Experimentierfeld für europäische KI-Anwendungen schaffen sowie DSGVO-konforme Cloudspeicher bereitstellen. Auch die Mozilla-Stiftung zeigt sich am Projekt interessiert, wie Finanznachrichten.de berichtet.
Motivation für Gaia X
Peter Altmaier befürchtet, dass die deutsche Industrie – vor allem der Mittelstand – nicht ausreichend für die gegenwärtigen technologischen Umbrüche gerüstet ist. Der globale Wettbewerb ist scharf, die Chinesen etwa dürften in wenigen Jahren mit neuen KI-basierten Fertigungsprozessen so effizient produzieren, dass deutsche Maschinenbauer ihre Technologieführerschaft verlieren. Es muss daher nach Altmaiers Auffassung die hiesige KI-Kompetenz dringend gestärkt werden. Das ist die Kernmotivation des Projekts Gaia X. Gleichzeitig wird es wohl Cloudkapazitäten nach europäischer Rechtslage schaffen. KI benötigt vor allem Daten, auf denen sie basiert. Das ist in Deutschland ein Problem, denn deutsche Unternehmen gehen mit dieser knappen Ressource sparsam um und tauschen sie nur selten untereinander aus. Diesen Mangel soll Gaia X beheben. Die Plattform soll zu einer Dateninfrastruktur führen, die nach europäischen Standards (sprich nach den Vorgaben der DSGVO) die Datensouveränität gewährleistet, was den relativ bedenkenlosen Datenaustausch zwischen Firmen ermöglichen würde. Es stünde damit gleichzeitig eine so breite Datenbasis zur Verfügung, dass KI-Anwendungen viel schneller als bisher entwickelt werden könnten. Die Daten sollen in einer Art Super-Cloud vorliegen, auf die Industriekonzerne und KMU gleichermaßen zugreifen können. Selbst Start-ups sollen dort kooperativ ihre KI-Anwendungen entwickeln. Natürlich werden nicht alle Unternehmen alle Daten preisgeben, sie könnten damit Wettbewerbsvorteile gegenüber inländischen Konkurrenten einbüßen. Doch der branchen- und sektorenübergreifende Datenaustausch ist sehr gut denkbar. So können Autohersteller ihre Daten mit Verkehrsbetrieben, Gesundheitsdienstleister mit forschenden Start-ups teilen.
Innovationskraft von Gaia X
Weil Gaia X keinesfalls eine bloße Nachahmung von Google- oder Amazon-Cloudanwendungen sein soll, verfolgen die beteiligten Experten einen anderen, durchaus sehr innovativen Ansatz. Gaia X ist als „dezentraler Hyperscaler“ gedacht. Es funktioniert zwar wie eine Super-Cloud, doch diese entsteht durch eine Vernetzung der individuellen Datenpools von deutschen Unternehmen. Derzeit sind im BMWi zehn verbeamtete Experten mit dem Projekt befasst, außerdem beteiligen sich Unternehmen wie SAP und die Telekom. Gleichzeitig stimmt sich das Bundeswirtschaftsministerium wegen der europäischen Dimension des Projekts mit den Franzosen und der EU-Kommission ab. Es kommt wahrscheinlich gerade zur rechten Zeit, bevor sich die europäische Industrie komplett in die Cloud-Hände von Google & Co. begibt: Noch nutzen beispielsweise in Deutschland nur rund 20 % aller Unternehmen Cloud-Anwendungen. Dieses Fünftel kann inzwischen effizient KI-Anwendungen entwickeln und nutzen, die auf eine Datenhaltung in der Cloud mehr oder weniger angewiesen sind – physische Festplatten reichen meistens nicht für die erforderlichen gigantischen Datenmengen. Die restlichen 80 % meiden die Cloud allein deshalb, weil sie ihre Daten nicht in einer US-Cloud verwahren möchten. So wird ein deutscher Automobilbauer oder -zulieferer keine Daten in die Google-Cloud legen: Google bastelt selbst an autonomen Autos und könnte die Daten abgreifen. Mit Gaia X dürfte also ein Innovationssprung hin zu einer deutlich rasanteren europäischen KI-Entwicklung erfolgen.