Digitalisierung und Globalisierung – zwei eng verknüpfte Phänomene, die in der Welt zu immer mehr Verschmelzungen führen, gleichzeitig Gräben aufwerfen und viele neue Entwicklungen denkbar machen. Neue Technologien spielen dabei ebenso eine große Rolle wie der immer internationaler werdende Import und Export.
Doch wie weit ist die Digitalisierung eigentlich in Österreich schon fortgeschritten? Gibt es sichtbare Gewinne, die ihr eindeutig zuzuschreiben sind?
Aktuelle Studie der Finanzaufsicht
Die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) hat diesbezüglich eine aktuelle Studie veröffentlicht, die sich mit der digitalen Ist-Situation der österreichischen Finanzwelt beschäftigte. Untersuchte Marktteilnehmer waren vor allem Banken, Kreditinstitute, Vergleichsportale, Wertpapierfirmen, staatliche Vorsorgekassen und Versicherungen. Von diesen erhob die FMA Daten in Bezug auf deren Erwartungen, Ängste und Gewinnprognosen. Erkennbar ist: Vor allem Versicherungen binden digitale Elemente bereits heute stark in ihre Tagesgeschäft mit ein. Chatbots, Insurtechs, Kooperationen mit Verbraucherportalen und ganz neue Kategorien an Finanzprodukten sind nur einige Beispiele dafür.
Insgesamt erwartet das Gros der befragten Finanzakteure ein weiteres Fortschreiten der Digitalisierung in der österreichischen Unternehmenswelt. In diesem Zuge würde auch vermehrt externe Dienstleister vormals interne Aufgaben übernehmen und zum Outsourcing beitragen.
Die Digitalisierung erweitert das Feld der Möglichkeiten für alle Akteure
Insgesamt ist die Erwartungshaltung der für die Studie befragten Teilnehmer in Bezug auf die Digitalisierung positiv. Die Mehrheit – insbesondere Versicherungen und Banken – verspricht sich davon einen Gewinn und vor allem ein breitere Feld für Aktionen und Entwicklung des eigenen Unternehmens. Besonders Finanzprodukte, die stark an die Informationstechnologie geknüpft sind, hätte hohe Wachstumschancen, auch ganz neue Vertriebswegen und optimierte Arbeitsprozesse würden „neuen Schwung“ einbringen. Pensionskassen sehen bei den Chancen den Vertrieb über digitale Kanäle an oberster Stelle, Banken zeigen besonderes Interesse an den Themen „Big Data“ und umfassenden Marktanalysen.
Digitaler Wettbewerb – wohin führt er?
Die befragten Marktteilnehmer gaben ebenso an, dass die Digitalisierung wahrscheinlich die Konkurrenzsituation am Markt begünstigt. Vor allem größere Technologieunternehmen würden ihre Sparten ausbauen, um den maximalen Vorteil daraus zu ziehen und sich in eine Spitzenposition zu bringen. Die FinTechs – Unternehmen, die „financial services“ und „technology“ vereinen – werden ebenfalls als Hauptakteure im Wettbewerb des Finanzmarkts eingeschätzt, vor allem die Wertpapierdienstleistern stehen hier in natürlicher Konkurrenz.
Viele österreichische Versicherungen wollen zudem in Zukunft stärker mit den sogenannten Insurtechs zusammenarbeiten. Diese bieten digitale Lösungen wie zum Beispiel Anwendungssystemen für deren Geschäftsprozesse an.
Die virtuelle Rolle der Vergleichsportale
Durch das Internet und zahlreiche nationale und internationale Vergleichsportale ist es für Kunden in fast jeder Branche so einfach wie noch nie, gezielt Informationen oder Bewertungen über ein bestimmtes Unternehmen einzuholen. Das gilt ebenso für Finanzprodukte, hier jedoch ist und bleibt der persönliche Kontakt zum Händler ein Dreh- und Angelpunkt in der Geschäftsbeziehung. Die Versicherungen reagieren auf den Trend: Gut die Hälfte von ihnen nutzt Rankings in einschlägigen Verbraucherportalen, rund 30 % der Banken tun es ihnen gleich.
Der genaue Einfluss dieser Online-Portale auf die Geschäfte des österreichischen Finanzmarkts lässt sich laut der FMA aber nur schwer verifizieren. Viele der Kunden würden nach einem Produkt-Vergleich keinen Kauf abschließen und dürften daher nicht in die Statistiken miteinfließen.
Produktinnovationen durch digitalen Wandel
Dei Digitalisierung ändert nicht nur die Geschäfts- und Vertriebswege, sondern auch die gesamte Produktaufstellung der Finanzunternehmen. Eine fortschreitende Vernetzung von Haushaltsgeräten mit dem Smartphone oder Tablet, die virtuelle Infrastruktur und die Online-Prozesse bei Banken und Versicherern hinterlassen deutliche Spuren. Die traditionellen Finanzprodukte müssen sich zusammen mit den Vertriebswegen an diese neue Realität anpassen; durch den technologischen Wandel werden zudem auch ganz neue Versicherungsarten benötigt, um die bisherige Marktabdeckung zu erhalten.
Der digitale Wandel in punkto Kundenbetreuung, Vertragsverwaltung und Complaint Management
Beim Kontakt mit dem Kunden sowie der Bewältigung des Traffics der Unternehmenswebseite nutzen immer mehr Firmen – insbesondere Versicherungen – Chatbots. Diese Programme basieren auf Algorithmen, die optimiert wurden und so ganz ohne menschliches Zutun die Kommunikation mit dem Kunden eigenständig abwickeln. Sie tragen zum Aufbau eines personalisierten Webauftritt bei und ersetzen sukzessiv Service-Hotlines oder die E-Mail-Bearbeitung von Kundenanfragen.
Generell werden Chatbots – zwar aktuell noch in geringem Maß, aber mit kontinuierlicher Steigerung – sowohl auf der Webseite als auch in den sozialen Medien eingesetzt. Diese spielen inzwischen eine wichtige Rolle beim Beschwerdemanagement der Finanzdienstleister, da immer weniger Kunden Anfragen per E-Mail oder Telefon stellen. Auch für Marketingmaßnahmen und die Koordination von Terminen werden elektronische Algorithmen vermehrt hinzugezogen. Die permanente Erreichbarkeit sowie die geringen laufenden Kosten sind hier die essentiellen Faktoren.
Live-Chats und Apps für das Smartphone tragen dem digitalen Wandel ebenso Rechnung wie die personalisierten Webauftritte, diese werden laut FMA die Kundenkommunikation in kürzester Zeit überwiegend dominieren.
Die Kundenbetreuung im digitalen Zeitalter
Trotz der fortschreitenden Digitalisierung der Kundenbetreuung, der Kommunikation, Terminvereinbarung und des Complaint Managements ist die Finanzwelt laut der FMA-Studie noch weit von einer zu 100 Prozent automatisierten Beratung entfernt. Eine Teilautomatisierung mit Instrumenten wie Live-Chat, Chatbots oder personalisierten Webseiten sei zwar bei vielen Unternehmen bereits Alltag, einige der Firmen bieten sogar vereinzelt vollautomatisierte Produkte an.
Bei allen Vorteilen dieser digitalen Lösungen bleiben jedoch wichtige Fragen offen, die vor allem den gesetzlichen Rahmen betreffen und die einer vollständigen elektronischen Abwicklung der Kundenbelange im Weg stehen. Es geht hierbei vor allem um den Schutz der Kundendaten und der Privatsphäre, die zweifelsfreie Identitätsfeststellung bei einer Kontaktierung via Chat oder Chatbots sowie die staatlichen Vorschriften in punkto Beratung und Risiko-Management.
Der Ausblick in eine technologisierte Zukunft
Anders als noch vor einigen Jahren, als der rasche technologische Wandel und die Verlagerung von Kerngeschäften in das Internet nicht vollständig erkannt wurden, stellt sich laut der FMA-Studie die Finanzwelt heute schnell auf die veränderten Gegebenheiten ein. Ein internationaler Wettbewerb ohne Ländergrenzen, immer schnellere Produktadaptionen sowie ein rasantes Tempo bei digitalen Innovationen und Prozessentwicklungen machen es unabdingbar, den Anschluss zu behalten und die eigenen Strukturen dahingehend aufzurüsten.
Es ist der FMA ein Bedürfnis, diese Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und Globalisierung noch intensiver zu analysieren und zu diskutieren, um den aktuellen Wandel ganzheitlich zu erfassen. Alle befragten Akteure des Finanzmarkts sind daher aufgerufen und eingeladen, Anregungen und die eigene Perspektive mitzuteilen und zu den Resultaten der 60-seitigen Studien der Finanzaufsicht Stellung zu beziehen.